Stress kann auch bei Reptilien zu akuten oder chronischen Störungen führen. Inzwischen liegen verschiedene Studien und Haltungsbeobachtungen zum Thema vor. Wir bringen Dich auf den neuesten Stand und zeigen, wie Du Stressbelastungen Deiner Tiere verhindern kannst.
Akute Stressbelastungen sind bei Reptilien gekennzeichnet durch hyperaktives Verhalten. Dies ist der Versuch, Stress durch verstärkte Aktivität zu bewältigen. Die Körpersprache zeigt eine ausgeprägte Erregungshaltung mit unruhigen, rastlosen und beschleunigten Bewegungen. Situativ bedingt kommt es zu Aggression (Schlangen, Echsen), Panikreaktionen oder übertriebenen Fluchtreaktionen, die unter beengten Bedingungen leicht zu Verletzungen führen.
Die Stressanfälligkeit ist innerhalb der Familien bzw. Gattungen teilweise recht unterschiedlich ausgeprägt und hängt von mehreren Faktoren ab. Generell kann man bei Geckos, Eidechsen und Anolis eine hohe, bei Chamäleons eine sehr hohe Anfälligkeit voraussetzen. Die meisten Schildkrötenarten sind hingegen relativ robust veranlagt. Insbesondere Warane reagieren bei Haltungsfehlern signifikant häufig mit psychischen Störungen.
Der Wildnis entnommene Tiere zeigen die stärksten Stressreaktionen. Das ist im natürlichen Habitat vorteilhaft, nicht aber in den beengten Verhältnissen eines Terrariums. Nachzuchten neigen dagegen ehr zu einer geringen Stresstoleranz, zeigen also eine herabgesetzte Widerstandsfähigkeit gegenüber Belastungen. Als Konsequenz nehmen sie in der Rangordnung meistens untergeordnete Stellungen ein.
Die Eingewöhnung in eine neue Umgebung – also ein Revierwechsel – ist für Reptilien mit erheblichem Stress verbunden. Bereits der Revierverlust löst starke Ängste aus, es folgen die Strapazen des Transportes und die Eingliederung in ein unbekanntes Revier. Im Falle einer Gruppenhaltung muss sich der Neuankömmling außerdem gegen die ansässigen Konkurrenten behaupten und seinen Rang in der Gruppenhierarchie erkämpfen.
Revierkonflikte können mitunter schon nach wenigen Tagen zum Tod des unterlegenen Tieres führen: Werden zwei Männchen einer territorialen Art auf engem Raum zusammengehalten, wird das schwächere Männchen normalerweise mit Fluchtverhalten reagieren. Da es das Territorium des dominanten Männchens jedoch nicht verlassen kann, bleibt ihm keine Möglichkeit zur Konfliktlösung. Der konstant hohe Stresspegel kann innerhalb kurzer Zeit zur vollständigen physischen und psychischen Erschöpfung des Tieres führen.
Ein sicheres Versteck ist von elementarer Bedeutung für das physische und „psychische“ Wohlergehen unserer Reptilien. Es ist der einzige sichere Zufluchtsort, den das Tier besitzt – ein Platz der Ruhe, des Schutzes und der Regeneration. Auch in Gefangenschaft benötigt deshalb jedes Tier einen geschützten, blicksicheren und durch Artgenossen nicht gefährdeten Rückzugsort!
Ein fehlendes bzw. unsicheres Versteck ist ein fundamentaler und leider häufig unterschätzter chronischer Stressfaktor. Wir Halter sollten die Rückzugsorte unserer Reptilien respektieren und grundsätzlich als Taubzonen betrachten, auf Sichtkontrollen verzichten und nach Möglichkeit keine Umbauten am Versteck vornehmen.
Die Hauptursache für akute und chronische Stressbelastungen sind Konflikte mit Artgenossen. Deshalb sollte man sich genau über die sozialen Gewohnheiten der jeweiligen Art informieren und den Empfehlungen folgen.
Viele Reptilien sind Einzelgänger und fühlen sich in Einzelhaltung wohler. Einige Arten können als Gruppe gehalten werden, allerdings nur unter genauer Berücksichtigung der Gruppenzusammensetzung.
Abhängig von der jeweiligen Art sollte auf ein angemessenes Geschlechterverhältnis geachtet werden. In der Regel ist ein deutlicher Überhang an Weibchen sinnvoll. Andernfalls drohen ständige Rangeleien und fortwährende Belästigung der Weibchen. Insbesondere die gemeinsame Haltung mehrerer Männchen ist häufig problematisch.
Revierbildende Arten sollten nur in ausreichend großen Gehegen und unter genauer Beachtung der Gruppenkonstellation gehalten werden. Die Rangordnung der Tiere muss aufmerksam beobachtet werden. Für unterdrückte Tiere ist Einzelhaltung dringend anzuraten.
Transportstress lässt sich durch zwei einfache Maßnahmen wirksam reduzieren: durch Dunkelheit und Hautkontakt. Dunkelheit fördert die Melatonin-Ausschüttung und wirkt somit beruhigend. Ein verhältnismäßig enger, mit geeignetem luftdurchlässigem Substrat gefüllter Transportbehälter schafft ähnliche Verhältnisse wie in einem Versteck. Der direkte Kontakt zwischen Haut und Substrat stimuliert die Ausschüttung des entspannenden Hormons Oxytocin.